Mit jungen Mitgliedern aus der Mehrheitsgesellschaft sowie Angehörigen aus der Minderheit der Sinti und Roma.
Die Bildungsreise startete mit jungen Mitgliedern aus der Mehrheitsgesellschaft sowie Angehörigen aus der Minderheit der Sinti und Roma am 27. Oktober 2021 und führte per Busreise zunächst zur KZ-Gedenkstätte Bergen Belsen. Die Gedenkstätte liegt rund 60 Kilometer nordöstlich von Hannover. Dort wartete der Gästeführer Frank Lehmann und berichtete einfühlsam im zweistündigen Rundgang von der Geschichte des Lagers. Das zunächst für sowjetische Kriegsgefangene genutzte Lager wurde 1943 von der SS um ein Konzentrationslager erweitert. Hier starben mindestens 52 000 Männer, Frauen und Kinder, die meisten in den letzten Kriegsmonaten. Bei der Befreiung am 15. April 1945 fanden britische Soldaten Tausende unbestattete Leichen und zum Skelett abgemagerte und todkranke Menschen vor. Die Toten des Konzentrationslagers wurden auf dem Gelände in Massengräber bestattet. Gräber, Mahnmale und Gedenkstätte erinnern an ihr Leiden und Sterben.
Unerwähnt blieb auch nicht, dass die in Frankfurt am 12. Juni 1929 in Frankfurt geborene Anne Frank von Auschwitz nach Bergen Belsen verbracht wurde und dort an Typhus stirbt – kurz vor Kriegsende. Der Vater überlebt den Holocaust und veröffentlicht später das Tagebuch seiner Tochter.
Anne Franks Leben und die Schriften wurden in zahlreichen Theaterstücken, Filmen, Büchern und anderen Werken dokumentiert und gewürdigt.
Ein junger Mann schildert mir, wie er sich fühlt und wie ein seltsames Gefühl im Bauch sich breit macht. Und sich ständig fragt, wie geht er damit um? Was sehe ich hier? Es ist nicht zu vergleichen mit einem Schwarz-Weiß-Foto aus dem Geschichtsbuch. Nie wieder darf sich der Völkermord wiederholen. Darin mahnt uns die Gedenkstätte.
Der nächste Tag führte zum Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme in Kaltenkirchen, welches die SS auf Veranlassung der Luftwaffe im Spätsommer 1944 für ca. 500 KZ-Häftlinge errichtete. Auch hier führte Frank Lehmann kundig und einfühlsam in die Geschichte des KZ und die brutale Auslöschung von unzähligen Individuen mit ihrer eigenen Geschichte und ihren eigenen Wünschen, Träumen und Ängsten. Hier wurde besonders deutlich, dass der Nationalsozialismus nicht weit weg war, sondern eigentlich direkt vor der Haustür in all ihren Facetten wütete.
Weiter ging es mit der Fahrt zur Innenstadt Hamburg und die Michaeliskirche an der englischen Planke und neues Ziel, um eine Pause einzulegen. Nach der Stärkung ging es ins Grindelviertel und weiteren Führungen durch die Straßen der City. Im Anschluss folgte die Anfahrt zur Gedenkstätte HafenCity im Lohsepark. Der Lohseplatz auch bekannt als Hannoverscher Bahnhof. Zwischen 20.05.1940 und dem 14.02.1945 verließen nachweisbar 20 Deportationszüge diesen Bahnhof. Mindestens 1264 Sinti und 5848 Juden wurden in Ghetto, Konzentrations- und Vernichtungslager in Ost- und Mitteleuropa verbracht. Beinahe 90 Prozent der Menschen wurden ermordet oder gingen an den elenden Lebensbedingungen zugrunde. Hier endete die Bildungsreise und damit eine betretene, fast schweigende Rückfahrt.
Alle nehmen den Gedanken mit, dass dieser Platz, der Hannoversche Bahnhof, das ist die Verbindung zwischen dem Massenmord und den erlittenen Alltagsdiskriminierungen. Dieser Platz zeigt, wie Ausgrenzung und Mord zusammenhängen. Die Massenmorde in den Lagern hatten eine Vorgeschichte. Um viele Menschen so ermorden zu können, wie es in Deutschland und darüber hinaus in Europa geschah, muss man diese Menschen erst einmal unter Kontrolle bekommen und so weit wie möglich wehrlos gemacht haben. Das fing schon lange vor den Deportationen an. Alle Maßnahmen der Erfassung, Ausgrenzung, Zerstörung der Existenzgrundlagen, Freiheitsentziehung usw., alles war bestimmt von dem Ziel, Sinti und Roma zu ermorden.
Der Blick nach vorn bedeutet auch, die aktuelle Situation im Blick zu haben, die wenig rosig ist, wie der erst vor kurzem im Bundestag vorgelegte Bericht zum Antiziganismus zeigt. Denn das ist das, was wir jetzt tun können und was wichtig bleibt: Diskriminierung und Ausgrenzung bekämpfen.